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Kolumne

Verführung versus Verfolgung

08.11.2022

Daniel Rehfeld
Daniel Rehfeld

Die geistliche Grosswetterlage in unseren Breitengraden ist so klar wie ernüchternd. Den Kirchen schwimmen die Felle davon, sie drohen langsam, aber sicher in der gesellschaftlichen Bedeutungslosigkeit zu versinken. Die neuesten Zahlen der Kirchenaustritte bestätigen nicht nur den Trend, sondern beschleunigen ihn sogar. Das Pastoralsoziologische Institut spricht von einem Rekord. 34 182 Katholiken (ungefähr die Bevölkerung von Sitten) und 28 540 Reformierte (etwa der Grossraum Rapperswil/SG) haben im letzten Jahr ihre Kirche verlassen. Zu den Freikirchen gibt es derzeit keine verlässlichen Zahlen. Warum aber kehrt jedes Jahr eine mittelgrosse Stadt der Kirche den Rücken? Möglicherweise hilft das Phantombild des Religions­soziologen Jörg Stolz weiter. „Der ideale Austrittskandidat ist ein junger, kinderloser, in einer Grossstadt lebender Deutschschweizer Mann mit hohem Einkommen“ (Die Zukunft der Reformierten, TVZ, 2010). Ohne bereits Schlüsse zu ziehen, lässt dieses Psychogramm erahnen, welche Faktoren die Zugehörigkeit zur Kirche und die Sehnsucht nach einer Gottesbeziehung beeinträchtigen können.

Im krassen Gegensatz dazu wächst die Kirche in fast allen anderen Teilen der Welt. Obwohl die Rahmenbedingungen für Christen praktisch überall härter sind als im Westen. In vielen Ländern der Erde werden Christen wegen ihres Glaubens benachteiligt, bedroht, gefoltert oder sogar umgebracht. Dennoch ist die Widerrufung keine Option, trotz Leiden. Ein Beispiel dafür gibt der 44-jährige Hamid aus dem Iran, dessen Geschichte Sie in der Beilage zum „Sonntag der verfolgten Christen“ lesen können. Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens begann er die Bibel zu lesen und bekennt: „Ich habe die Wahrheit, das lebendige Wasser gefunden.“ Er hat dafür bezahlt, musste fliehen und lebt nun in Unsicherheit, wieder in die Heimat ausgeschafft zu werden. Trotzdem bleibt er Christ.

Es liegt mir fern, den Wohlstand zu geisseln und die Verfolgung zu glorifizieren. Je mehr ich aber über die beiden Welten nachdenke, desto mehr frage ich mich, ob es sein könnte, dass wir in unseren Breitengraden die Hauptsache vergessen haben. Der reformierte Pfarrer Josef Hochstrasser bringt es in der „NZZ am Sonntag“ auf den Punkt. „Die Zukunft gehört einer neu entfachten Jesus-Bewegung, wie sie einst vor zweitausend Jahren die Welt in Staunen versetzt und überzeugt hat.“ Die Devise muss sein: mehr Jesus, weniger Ablenkung.

Daniel Rehfeld, Chefredaktor

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