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Kolumne

Plädoyer für Ausgewogenheit

14.02.2024

Der Besuch einer Gedenkstätte löst ­Erschütterung aus. Welche Rolle spielen ­Führungskräfte in extremen Zeiten?

Anfang des Jahres habe ich die Gedenkstätte meiner Heimatstadt besucht. Einen Steinwurf von dort entfernt, wo heute ein modernes Betongebäude steht, sieht man noch die Überreste der Grundmauer einer Feldscheune, in der wenige Wochen vor Ende des Zeiten Weltkrieges KZ-Häftlinge bei lebendigem Leibe verbrannt wurden. Vorher wurden sie auf dem sogenannten „Todesmarsch“ durch die Dörfer und die Kreisstadt des Landstrichs getrieben. Nicht etwa bei Nacht und Nebel, sondern am helllichten Tage. Die Bewohner der Stadt haben zugesehen. Wenn sie zu dieser Zeit vielleicht auch nicht ganz begriffen haben, was dort vor sich ging, dürfte es ihnen spätestens, als dunkle Rauchschwaden über den Feldern sichtbar wurden, gedämmert haben. Die über 1000 weissen Kreuze auf dem Militärfriedhof der Gedenkstätte erinnern noch heute daran. Einen Tag später erreichte die US-Armee die Feldscheune. Es gab nur wenige Überlebende. 

Der Besuch in der Gedenkstätte hat mich erschüttert. Wieso hat niemand der Stadtbewohner eingegriffen? Wieso haben sie schweigend zugesehen, als Menschen mit Familien, Träumen und Hoffnungen ihrem sicheren Ende entgegenliefen? Was hätte ich getan? Vor zwei Monaten hatte das alles wenig mit dem „Heute“ zu tun. Doch nun gehen Tausende Menschen in Deutschland auf die Strasse, um gegen Rechtsextremismus und für die Demokratie zu demonstrieren. 

Als Führungskräfte tragen wir in Zeiten der Extreme eine besondere Verantwortung: Nämlich für eine Gesellschaft, die sich trotz Differenzen in der Mitte wiederfindet, anstatt sich immer weiter voneinander zu entfernen und in den Extremismus abzudriften. Wir mögen nicht die ganze Welt retten können – aber wir können dort, wo wir Einfluss haben, für Demokratie, Zusammenhalt und Menschlichkeit einstehen, und gegen Ungerechtigkeit und Ausgrenzung aufstehen. Mögen wir im Kleinen und Grossen den Mut dazu haben. Auch hier in der Schweiz.

Elisabeth Schoft leitet die Marketing- und Pressearbeit bei Fontis, ist Autorin und unterstützt junge, weibliche Führungskräfte als systemische Beraterin.

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