Hosenträgerlogik

Ein Bild von mir brachte mich zum Schmunzeln. Und dann stimmte es mich sehr nachdenklich. Zugegeben, ich bin keine Schönheit. 65ig mit weissem Bart. Kein Sportler, sondern gehbehindert. Auffallend an diesem Bild von mir sind aber meine Hosenträger. Die gehören dazu. Und zwar nicht bloss, wenn ich fotografiert werde. Allen, die mich mit diesen Hosenträgern sehen, ist wohl klar: Die halten die Hose. Scheint logisch. Deshalb heissen sie schliesslich Hosenträger. Dem ist aber nicht so. Mit diesen Trägern fixiere ich meine Stützstrümpfe, die ich tragen muss. Für die Hose habe ich einen Gürtel. Zugegeben, bis heute kam noch niemand auf die Idee, dass meine Hosenträger dafür da sind, dass meine Stützstrümpfe nicht hinunterrutschen. Selbst die Leute der Spitex waren überrascht über mein System.

Weshalb ich diese banale Geschichte erzähle? Ganz einfach: Manches, was wir denken, ist nicht so. Vieles, was uns klar erscheint, ist in Wirklichkeit ganz anders. Wir schmunzeln vielleicht über frühere Generationen, die meinten, die Erde sei eine Scheibe. Doch auch unser Wissen ist beschränkt, manche Überzeugung völlig falsch.

Etwas mehr Demut und Bescheidenheit würde uns guttun. Wenn wir nicht einmal den Durchblick bei Hosenträgern besitzen, dann verstehen wir wahrscheinlich kompliziertere Dinge auch nicht. Dazu dürfen wir stehen. Ich jedenfalls bin nicht klüger als der Apostel Paulus, der von sich sagte, dass seine Erkenntnis nur Stückwerk sei.

Meine Hosenträger halten also nicht bloss meine Stützstrümpfe. Sie helfen mir auch, demütiger und bescheidener zu bleiben …

Christoph Gysel ist Tourismuspfarrer der Evangelisch-reformierten Kirche des Wallis, Autor und Blogger.