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Kolumne

Haben Sie es etwas kleiner, bitte?

01.04.2024

Alles in Liebe tun? Das ist zu viel. Die Worte der Jahreslosung sind mir zu gross. Unter deren Gewicht kann ich mir keine Gedanken darüber machen, was sie für mich bedeuten. Ich gehe mit ihnen wie mit grossen Geldscheinen zum Münzwechsler. Ich hoffe, der Automat schluckt die 1000er-Note alias „Liebe“. Es scheppert und klingelt im Münzfach. Ich nehme ein 20erli in die Hand – Freundlichkeit. Meine 9-jährige Tochter fragte mich vor Kurzem: „Hast du gewusst, dass das Lächeln zu einem zurückkommt, wenn man es verschenkt?“ In meinen Ohren tönen diese Kindersätze immer wahnsinnig philosophisch und ich verliebe mich sofort in sie. So meint das die Neunjährige ja aber gar nicht. Es ist bloss ein Spiel, ein Experiment, bei dem sie auf etwas Spannendes gestossen ist. Fast immer, wenn sie fremde Menschen anlächelt, lächeln diese zurück. Sie könne mir das beweisen. Auf dem Weg vom Dorfladen zurück nach Hause demonstriert sie es mir an der nächsten Hundehalterin, die uns kreuzt. Es klappt. Ich vermute, das liegt am Kindchenschema ihres Gesichtes und wird bei mir nicht funktionieren. Trotzdem habe ich es seither ab und zu gewagt. Die Philosophin Barbara Bleisch meinte im Jahresgespräch mit dem Tages-Anzeiger: „Ich würde gern freundlicher durch die Welt gehen.“ Freundlichkeit sei eine unterschätzte Tugend, die wir in einer Zeit, in der die meisten angestrengt durch die Tage gehen würden, pflegen sollten. Vielleicht hilft ein Lächeln, eine Frage und ein bisschen Interesse. Vielleicht schicke ich die im Affekt spitz formulierte E-Mail nicht ab. Ja, das tönt ganz schön banal. Es ist nur ein einziges 20erli vom ganzen Wechselgeld der Liebe. Da liegen noch 4999 weitere, die es zu entdecken gilt.

Tamara Boppart arbeitet bei Central Arts, einem Ministry von Campus für Christus. Sie wohnt mit ihrer 6-köpfigen Familie in Wil/ZH.

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