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Kolumne

Grenzverletzungen

21.03.2023

Daniel Rehfeld
Daniel Rehfeld

Es ist dieser Tage kein Genuss, Chefredaktor zu sein. Meine Zunft scheint angeschlagen und die Vorwürfe gegenüber Führungspersönlichkeiten in den Medien sind happig. Die #MeToo-Diskussion hat weitgehend diejenigen erreicht, die sie vorher in anderen Branchen aufgedeckt haben. Und einmal mehr scheint sich die These zu bewahrheiten, dass wer im Glashaus sitzt, nicht mit Steinen werfen sollte. Wobei fairerweise auch gesagt werden muss, dass in solchen Fällen, wie sie derzeit öffentlich gemacht werden, die Unschuldsvermutung gilt und sich die Verdachtsmomente bisher nicht erhärtet haben. 
Begonnen hat die Serie Anfang Februar, als die Journalistin Anuschka Roshani in einem Gastbeitrag im „Spiegel“ ihren ehemaligen Arbeitskollegen und Chef des „Magazin“ des Mobbings, des Machtmissbrauchs und des Sexismus bezichtigte. Er habe sich grob ausgedrückt und soll zu germanisch gehaltene Ausdrücke in ihren Texten mit Hakenkreuzen vermerkt haben. Der „Spiegel“ hat nach eigenen Angaben ehemalige Arbeitskollegen befragt, ein externer Untersuchungsbericht der Tamedia-Gruppe entlastete Finn Canonica weitgehend. Dieser erklärte sich ausführlich in einer Radiosendung bei Roger Schawinski und klagt nun gegen den „Spiegel“. Gewinner gibt es bisher keine. Auch im Hause Ringier scheint es zu rumoren. Vor anderthalb Wochen wurde bekannt, dass Werner Schepper, langjähriger „Blick“-Chefredaktor, das Medienhaus verlassen werde. „Aufgrund unterschiedlicher Auffassungen als Führungs­persönlichkeit des Medienhauses“, wie es in der dürren Medienmitteilung heisst. In verschiedenen Medien wurde spekuliert, der ehemals katholische Theologe sei, wie bereits 2017 kolportiert, übergriffig geworden. „Inside Paradeplatz“ äusserte sich etwas vorsichtiger und sprach von einer unglücklichen Situation. Seit dem 13. März befindet sich nun auch der Chefredaktor der Blick-Gruppe in einer Auszeit. Christian Dorer soll gegen den „Code of Conduct“, also den Firmenkodex, verstossen haben. Machtmissbrauch steht im Raum. Bis die Vorwürfe geklärt sind, bleibt er aussen vor. 

Was sich derzeit in Teppichetagen von Medienhäusern abspielt, kann leider auch christliche Institutionen treffen. Vor Machtmissbrauch, Manipulation oder sogar einem Übergriff ist niemand gefeit. Besonders deftig wird es, wenn ein solches Verhalten auch noch geistliche Dimensionen annimmt. Die Freikirchen schauen deshalb genau hin. Mit dem „Netzwerk gegen Grenz­verletzungen“ und einer Charta. Lesen Sie dazu unseren Schwerpunkt.

Daniel Rehfeld, Chefredaktor

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